Hi! Dieses Blog ist nicht mehr aktuell. Meine fotografische Arbeit findet ihr ab sofort unter:

www.michaelahanf.de

Dienstag, 16. März 2010

Streetfotografie



Mein erstes Street-Portrait! Es ist eine heikle Angelegenheit. Gute Street-Portraits zu machen, die den Augenblick unverfälscht einfangen - dazu braucht es Mut.

Was gute Street-Portraits ausmacht, ist die Lebendigkeit in ihnen. Der Mensch steht zwar im Mittelpunkt, aber er kommt erst so richtig gut zur Geltung, wenn auch die Umgebung, in der er sich befindet, auf dem Foto zum Ausdruck kommt. Das regt den Betrachter an, in das Foto einzusteigen und sich aus seinen Assoziationen eine eigene Geschichte dazu zu denken. Die ist in solchen Fällen auch gar nicht wichtig, denn was hier zählt, ist der intime, nahe Moment.

Ich könnte nun ein Zoom-Objektiv nehmen, sagen wir ein 200er, und die Menschen, die meine Aufmerksamkeit erregen, aus einigermaßen sicherer Entfernung fotografieren. Das kann man machen, ist aber nicht jedermanns Sache. Meine auch nicht, denn ich habe oftmals nicht den Mut, Fotos aus dem Hinterhalt zu schießen. Wie würde ich reagieren, wenn jemand so nah in meine Intimsphäre eindringt? Bei öffentlichen Veranstaltungen, wie der Grünen Woche hier in Berlin, habe ich damit kein Problem - Menschen, die sich auf öffentliche Veranstaltungen begeben, müssen damit rechnen, dass sie jederzeit fotografiert werden könnten, von der Presse z.B.

Ein weiterer Nachteil von Zoomobjektiven ist, dass sie nur einen kleinen Ausschnitt zeigen. Sie haben einen sehr engen Winkel (im Gegensatz zu Weitwinkelobjektiven). Das heißt, ich bekomme eben schwieriger die Umgebung mit aufs Foto, es sei denn, ich stehe etwas weiter weg. Aber generell sind ja die langen Brennweiten jene, mit denen man insbesondere Kopf- oder auch Körperportraits anfertigt, z.B. vom Raucher, der genussvoll an seiner Zigarette zieht. Da ist kein Raum für Umgebung, die muss man sich selbst denken.

Bleibt, näher ranzugehen. Dazu brauche ich ein kurzes Objektiv, ein 35er z.B. Es hat wegen seiner relativ kurzen Brennweite einen weiteren Winkel und kann nebenher noch schön die Umgebung aufzeichnen. Aber um damit ein formatfüllendes Kopfportrait zu machen, darf ich nicht weiter als zwei, drei Meter von meinem Motiv entfernt sein. Und jetzt kommt noch eine ganz entscheidende Sache hinzu: Mein Gewissen gebietet es mir, den Menschen, den ich fotografieren möchte, vorher zu fragen. Doch nimmt das nicht dem Foto seine Ausdruckskraft, die eben gerade darin liegt, den Menschen und seine Umgebung unverfälscht zu zeigen? "Wenn Du vorher fragst, wird es kein gutes Fotos geben. Wenn Du nachher fragst, musst Du ein gutes Foto löschen.", das beschreibt so ziemlich genau den Zwiespalt, in dem man sich befindet, wenn man wirklich gute Street-Portraits machen möchte.

Ihn habe ich für mein Foto gefragt - und allein das kostete schon einigermaßen Überwindung. Ich sah ihn schon von weitem und ging von hinten auf ihn zu. Er bettelte und war gar nicht gut zu Fuß. Wir tauschten einige Worte, so gut das möglich war für ihn in rumänisch-gebrochenem Deutsch, ich gab ihm etwas Geld für Essen und fragte ihn, ob ich ein Foto machen dürfe. Ich fand, dort stand so viel Würde im Gesicht dieses Menschen geschrieben.

Für das Foto benutzte ich ein doch relativ langes Objektiv (50mm, plus Crop: 85mm). Man sieht ja: Viel von der Umgebung, die noch einiges mehr hätte erzählen können, ist nicht zu sehen. Okay, man sieht parkende Autos, Bäume, Häuser - doch das alles ziemlich eingeschränkt. Und nach all meinen Überlegungen frage ich mich, wie das Foto hätte aussehen können, wenn ich nicht gefragt hätte. So wirkt es doch sehr gestellt. Doch wenn ich etwas bewirken möchte mit meinen Fotos, wenn ich die Menschen am Rande der Gesellschaft portraitieren möchte, dann muss ich näher ran. Und ich muss mit meinem Gewissen verhandeln, in welcher Situation ich es verantworten kann, einfach abzudrücken oder es besser sein zu lassen: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber muss ich nicht gerade deswegen den Auslöser drücken? Unverfälscht und gnadenlos?

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

 
Free counter and web stats